SPERRFRIST: Freitag, 13. Dezember, 14.30 Uhr, Prüfbericht ortet dringenden Handlungsbedarf beim Kantonsgericht

Eine Organisationsprüfung gelangt zum klaren Schluss, dass das Kantonsgericht seit Jahren personell unterdotiert ist und unter einer hohen Arbeitslast leidet. Der Prüfbericht ist heute an einer Medienkonferenz vorgestellt worden. Es werden Massnahmen empfohlen, um die internen Abläufe und das Arbeitsklima zu verbessern. Die Justizkommission des Landrats und das Kantonsgericht bereiten entsprechende Anträge vor.

Beim Kantonsgericht Nidwalden besteht auf mehreren Ebenen Handlungsbedarf, damit es seine Aufgaben so bewältigen kann, wie es von Behörden und Öffentlichkeit, aber auch von den eigenen Mitarbeitenden erwartet wird. Dies hat eine umfassende Organisationsprüfung ergeben, deren Bericht nun vorliegt. Die ständige Arbeitsüberlastung in vielen Bereichen des Kantonsgerichts, gepaart mit einer Zunahme der Pendenzen und gleichzeitiger personeller Unterdotierung, hat zu einem bedenklichen Ausmass an Unzufriedenheit und zu einer hohen Fluktuation beim Personal geführt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Personalrekrutierung anspruchsvoll gestaltet und dadurch bewilligte Stellen über längere Phasen unterbesetzt blieben.

Diese Umstände wirken sich auch auf interne Abläufe aus, was einerseits das Arbeitsklima und andererseits auch die Effizienz des Gerichts zusehends negativ beeinflusst. «Der Prüfbericht hält klar fest, dass der Verfasser noch in keiner seiner vielen Untersuchungen einer derart offensichtlichen personellen Unterbesetzung eines Gerichts begegnet ist», hält Marcus Schenker, geschäftsleitender Präsident des Kantonsgerichts Nidwalden, fest. Er betont, dass das Kantonsgericht der Organisationsprüfung von Anfang an offen gegenübergestanden ist. «Wichtig ist für uns, dass der Bericht nicht nur Ursachen, sondern auch Handlungsoptionen aufzeigt.»

Die Organisationsüberprüfung angestossen hat die Justizkommission des Landrats. Den Vorschlag dazu äusserte sie im Herbst 2022, als die Präsidien des Kantonsgerichts um eine Aufstockung ersuchten. «Wir legten den Verantwortlichen nahe, die Beweggründe, die zum personellen Ausbau führten, kritisch zu hinterfragen, und die interne Organisation mit externer Fachhilfe zu überprüfen», blickt Landrätin Beatrice Richard-Ruf, Präsidentin der Justizkommission, zurück und ergänzt: «Wie sich herausgestellt hat, war dieser Schritt richtig, auch wenn unser Impuls unter etwas anderen Vorzeichen erfolgte. Ein funktionierendes Kantonsgericht ist für den Rechtsstaat essenziell. Deshalb ist es wichtig, dass das aufgezeigte Potenzial für Optimierungen ausgeschöpft wird – vorwärtsgerichtet und mit der erforderlichen Entschlossenheit.»

Zahlreiche Interviews und Workshop durchgeführt

Die mehrere Monate dauernde Organisationsüberprüfung wurde von unabhängiger Seite geleitet. Autor Daniel Kettiger ist Berater, Anwalt und Justizforscher mit langjährigen Erfahrungen. Die Untersuchungen basieren sowohl auf einer Analyse vorhandener Strukturen und Prozesse beim Kantonsgericht als auch auf Einzelinterviews mit Mitarbeitenden, Gruppenworkshops mit Richterinnen und Richtern sowie dem Austausch mit Personen, die aufgrund ihrer Funktion regelmässig mit dem Kantonsgericht in Kontakt stehen.

Im Bericht wird insbesondere darauf hingewiesen, dass unscharfe oder nur unzureichend wahrgenommene Zuständigkeiten und betriebliche Unklarheiten zu Grüppchenbildungen und regelmässigen Problemstellungen führen, allen voran im Kanzleisekretariat, welches Drehpunkt aller Arbeiten ist. Auch existiert namentlich kein institutionalisiertes Vizepräsidium wie beim Ober- und Verwaltungsgericht, welches sich teilweise gewissen Führungsaufgaben widmen könnte und entsprechend entschädigt würde. Generell fehlt heute eine Regelung der gegenseitigen Stellvertretung der fünf Gerichtspräsidien. Nicht reglementiert ist zudem die Zuteilung der Fälle innerhalb des Gremiums. Sie erfolgt bisher weitgehend nach Reihenfolge der Eingänge. Gemäss Experte dürfte die bisherige Praxis den bundesrechtlichen Anforderungen an die Spruchkörperbildung nicht genügen. Hier steht laut Bericht die Präsidentenkonferenz des Kantonsgerichts in der Pflicht. Diese wäre von den zugewiesenen Funktionen her grundsätzlich das zentrale Führungsorgan, hat diese Aufgabe aber wegen der Arbeitsbelastung zu wenig wahrgenommen. Die knappen Ressourcen haben auch zur Folge, dass wichtige Themen wie Weiterbildungen oder Mitarbeitendenanlässe zur Stärkung des Teams vernachlässigt werden.

Externes Coaching soll bei Prozessoptimierungen unterstützen

Schliesslich enthält der Prüfbericht in seinen Schlussfolgerungen auch eine Liste von Vorschlägen von hoher, mittlerer und niedriger Priorität, um die aktuelle Situation am Kantonsgericht einer Verbesserung zuzuführen. Erste Schritte wurden bereits eingeleitet. Die Präsidentenkonferenz als Führungsgremium ist nach Vorliegen des Berichts wieder aktiviert worden. Daneben haben sich die Justizkommission und die Gerichtspräsidien vertieft mit weiteren Massnahmen auf der Grundlage der Organisationsüberprüfung auseinandergesetzt.

In einem ersten Paket soll eine Erhöhung der Anzahl Gerichtspräsidien und der Stellenprozente der Gerichtspräsidien angestrebt werden, um dem strukturellen Problem der personellen Unterbesetzung zu entgegnen und so mehr Kapazitäten für Führungsaufgaben zu gewinnen. Hierzu beitragen soll auch die Schaffung eines stellvertretenden, geschäftsleitenden Präsidiums, das entsprechend entschädigt werden soll. Um die Gerichtsverantwortlichen in diesem Prozess und bei der Rollenfindung zu unterstützen, ist ein externes Coaching vorgesehen. Schliesslich soll auch zeitnah abschliessend geklärt werden, inwiefern das Personalrecht des Kantons subsidiär auf Präsidien der Gerichte, die grundsätzlich dem Behördengesetz unterstellt sind, anwendbar ist. Diese Unsicherheit führt immer wieder zu unterschiedlicher Auffassungen, insbesondere bei den Regelungen zu Arbeitszeit und Ferien. «Die Massnahmen scheinen auf den ersten Blick lediglich den Gerichtspräsidien zu dienen», räumt Beatrice Richard-Ruf ein. Sie betont jedoch: «Diese Optik greift zu kurz. Indem künftig mehr Ressourcen für Führungsaufgaben und die Optimierung interner Abläufe zur Verfügung stehen, werden unterm Strich alle Mitarbeitenden profitieren.»

Die Justizkommission beabsichtigt, den politischen Prozess für die erwähnten Massnahmen personeller Natur im kommenden Monat anzustossen. Sie sollen per 1. Januar 2026 umgesetzt sein. Bereits vorher soll das externe Coaching für die Gerichtspräsidien installiert werden. Hierfür will die Justizkommission einen Nachtragskredit beantragen. Die Höhe steht noch nicht fest und wird abhängig von den eingehenden Offerten sein. «Wir sind überzeugt, dass wir mit diesem Massnahmenpaket das Kantonsgericht wieder auf Kurs bringen werden», zeigt sich Beatrice Richard-Ruf zuversichtlich, und Kantonsgerichtspräsident Marcus Schenker betont: «Wir sehen die Organisationsüberprüfung als Chance an und sind sehr motiviert, die notwendigen Massnahmen umsetzen. Wir können die Herausforderungen aber nur meistern, wenn uns die Politik dabei unterstützt und die dringend notwendige Erhöhung des Personalbestandes mitträgt.»

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