Sehr geehrter Herr Bundesrat
Mit seinem Schreiben vom 2. November 2022 hat der Bundesrat den Kanton Nidwalden eingeladen, sich über die Änderung der Filmverordnung (FiV) und die Neue Verordnung über die Quote für europäische Filme und lnvestitionen in das Schweizer Filmschaffen (FQIV) vernehmen zu lassen.
Die Konferenz der kantonalen Kulturbeauftragten KBK hat eine ausführliche Stellungnahme erarbeitet. Wir unterstützen diese Vernehmlassungsantwort und übernehmen sie inhaltlich unverändert.
Stellungnahme der KBK
Wir beurteilen die Änderung des Filmgesetzes (SR 443.0), welche in der Volksabstimmung vom 15. Mai 2022 angenommen wurde, wie auch die Anpassungen der bestehenden Filmverordnung (FiV, SR 443.1) sowie die neue Verordnung FQIV grundsätzlich positiv. Wir begrüssen, dass künftig über die FQIV auch Streaming-Plattformen wie Netflix, Amazon Prime oder Disney+ ins Schweizer Filmschaffen investieren – wie es auch in anderen Ländern Europas bereits geregelt ist.
Die neue Verordnung über die Quote für europäische Filme und lnvestitionen in das Schweizer Filmschaffen, welche sich primär an die internationalen Fernseh- und Streamingdienste richten, ist unseres Erachtens sehr komplex und wird sich in der Praxis bewähren müssen. Ob und in welcher Form Filmanbieter künftig vier Prozent ihrer Bruttoeinnahmen in das Schweizer Filmschaffen investieren, wird sich zeigen. Die Verordnungen regeln die Registrierung der Unternehmen, die Berichterstattung sowie die Ausnahmen von der Quoten- und lnvestitionspflicht. Sie definieren konkret das Verfahren und die Arten der anrechenbaren lnvestitionen, die in der Schweiz geleistet werden müssen. Unseres Erachtens sind diese Verfahren in der FQIV ausführlich gut geregelt und werden deshalb in dieser Form unterstützt.
lm Folgenden werden ergänzend einige Bemerkungen zu konkreten Artikeln zusammengefasst:
- lm Erläuternden Bericht zur Vernehmlassung wird im Kontext der Anpassung der FiV von Art. 1S und 16 a festgehalten, dass die Meldungen der Kino- und Verleihunternehmen genügen für die Filmstatistik. Unseres Erachtens müsste eine künftige Filmstatistik zwingend auch die Angebote der Streamingdienste erfassen können.
- ln Art. 18 Abs. 1 und 2 werden die Organisationsbestimmungen der Eidgenössischen Filmkommission (EFiK) präzisiert und aktualisiert. lm Zuge der letzten Legislatur wurde die Eidgenössische Filmkommission, welche die Behörden in filmpolitischen Fragen berät, von 15 auf 7 Mitglieder reduziert und das Anforderungsprofil der Kommissionsmitglieder angepasst. Neu werden Fachleute aus den Bereichen der Filmverwertung, des Filmrechts sowie der Filmkultur genannt, verzichtet wird hingegen auf eine Vertretung der Kantone. Dass auf eine ständige Vertretung der Kantone verzichtet wird, ist nachvollziehbar, jedoch sollte unseres Erachtens die verschiedenen Regionen in den Filmkommissionen angemessen vertreten sein.
Neue Verordnung FQIV
- ln Art. 2 wird bei den anrechenbaren Filmen auch der Experimentalfilm genannt. Bisher wurde bei der Filmförderung des BAK diese Kategorie nicht berÜcksichtigt. Mit der selektiven Filmförderung des BAK werden Drehbuch und Produktion sowie – bei Dokumentarund Trickfilmen – die Projektentwicklung von Filmen unterstützt. lnsofern müsste bei den Förderrichtlinien des BAK diese Kategorie auch berücksichtigt werden oder falls nicht, sollte diese in Art. 2 auch nicht erwähnt werden
- lm Art.2 sind gemäss der aktuellen Formulierung, die Auftragsfilme als förderfähig zulässt, auch Wirtschaits- beziehungsweise lndustriefilme förderfähig, die nicht strikt werblich sind, sondern das lmage einer lnstitution oder eines Unternehmens fördern. Unserer Meinung nach sollten nur Produktionen mit kulturellem Wert förderfähig sein und wir möchten auf das entsprechende Abgrenzungsproblem hinweisen.
- ln Art. 3 werden unter Fernsehdienst auch zeitversetzte Fernsehangebote erfasst. ln Art. 4 Abs. 2 lit b werden zeitversetzte Angebote wie Wilmaa oder Zalloo wieder ausgenommen. Wir fragen uns, weshalb das so ist.
- ln Art. 6 schliesst die Mindestdauer von 60 Minuten eine grosse Zahl an Fernsehdokumentationen, die üblicherweise eine Länge von knapp unter 60 Minuten haben, und Kurzfilme von der Quote für europäische Werke aus. lhre Förderung wird durch diese Schwelle behindert.
- Damit verbunden sind die in Art. 11 spezifizierten Anrechnungskriterien fÜr die Quote für europäische Werke. Sie schliessen eine grosse Anzahl von Projekten aus, die bei in der Schweiz anerkannten Förderstellen förderfähig sind. Dies betrifft neben Fernsehdokumentarfilmen und Kurzfilmen, die nicht für die Auswertung in Kinos oder auf Festivals bestimmt sind, Webserien im Kurzformat und experimentelle digitale Formate. Wir weisen darauf hin, dass die Bestimmungen in Art. 11 in ihrer aktuellen Form dazu führen würden, dass Werke, die als anrechenbare Ausgaben für die lnvestitionsverpflichtung in Frage kommen, nicht für die Erfüllung der Quote für europäische Werke zählen.
- Art. 13 betreffend möchten wir darauf hinweisen, dass neue Produktionsfirmen ihre Schweizer Partner unter Druck setzen, um sogenannte «Buy-out»-Verträge zu erwirken. Diese Verträge beinhalten die Abtretung aller Rechte, aller Nutzungsarten, in allen Gebieten, ohne zeitliche Begrenzung. Eine solche Vertragspraxis könnte das schweizerische System aus dem Gleichgewicht bringen. Die jüngste Änderung des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urhebergesetz URG) hat eine obligatorische Vergütung für Autoren und Autorinnen im Bereich der in der Schweiz konsumierten Video-on-DemandDienste eingeführt. Dies ist jedoch nicht der Fall bei der linearen Ausstrahlung im Fernsehen. Auch verunmöglichen «Buy-out»-Verträge die Teilnahme an den Vergütungsmodellen in manchen Exportländern. Davon betroffen sind insbesondere französischsprachige Produktionen. Wir regen an, diesem Problem in den Bestimmungen in Art. 13 entgegenzuwirken.
- ln Art. 16 ist darauf zu achten, dass die in der Schweiz anerkannten Filmförderinstitutionen nicht ausgeschlossen werden, insbesondere jene mit dem Status einer privaten Stiftung, die über die Stiftungsaufsicht hinaus mitunter über keinen Beschwerdeweg zu den Vergabeentscheidungen verfügen.
- ln Art. 27 werden abgerufene Filme mit einer Dauer von mindestens 60 Minuten erwähnt. Wir möchten darauf hinweisen, dass uns aufgrund des Textes nicht klar ist, ob dabei Serien inkludiert sind.