30 Jahre aus dem Blickfeld verschwunden – im Dachstock des Kollegiums Sarnen wiederentdeckt

 Pater Emmanuel Scherer war der «Vater der Archäologie» in der Zentralschweiz. Seine umfangreiche archäologische Sammlung enthält rund 2000 Objekte verschiedener Zeitepochen aus mehreren Schweizer Kantonen und auch Funde aus dem Ausland. Viele vergessene Funde befanden sich im Estrich des Benediktiner-Kollegiums Sarnen. Dieses übergibt die Funde nun der Kantonsarchäologie Luzern, welche sie wissenschaftlich inventarisieren wird. 

Die Archäologen der Kantonsarchäologie Luzern staunten nicht schlecht, als sie in die Schubladen der Kommode im Dachstock des Benediktiner-Kollegiums Sarnen blickten: Sie fanden tausende archäologische Objekte, darunter auch solche, die seit längerem als verschollen galten. Es handelt sich um die archäologische Sammlung von Pater Emmanuel Scherer (1876–1929, vgl. Kasten), dem «Vater der Archäologie» in der Zentralschweiz. Nachdem sie vor Jahrzehnten in den Dachstock des Benediktiner-Kollegiums verlegt worden war, verschwand sie aus dem Blickfeld der Forschung. 

Bedeutende Sammlung
«Die Bedeutung der Sammlung ergibt sich insbesondere auch daraus, dass Pater Emmanuel über weite Strecken Pionierarbeit leistete. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schuf er in breiten Kreisen der Innerschweiz erst ein Bewusstsein für die Bedeutung archäologischer Funde», stellt der Rechtshistoriker Mike Bacher fest. Die von Scherer systematisch zusammen gestellten Fundmeldungen sind heute noch wichtige Quellen für die Archäologie in der Region. 

Im Zuge seiner Arbeiten legte er eine umfangreiche archäologische Sammlung mit insgesamt über 2000 Objekten an, die die Spanne von der Altsteinzeit bis in die frühe Neuzeit abdeckte – Bronzeschmuck, Keramikscherben, Öllämpchen, Steinbeile, Feuersteingeräte, aber auch tierische und menschliche Knochen. Scherer führte Funde aus vielen Schweizer Kantonen zusammen und ergänzte seine Sammlung mit Zukäufen aus Frankreich, Italien, Griechenland und sogar Nordamerika. Die Sammlung enthält auch Mineralien und zahlreiche Lichtbilder, die Scherer dem Schulunterricht dienten und nicht zuletzt dessen breites, naturwissenschaftliches Schaffen dokumentieren. Für Pater Benedikt Staubli ist mit Blick auf die Sammlung klar: «Im Rahmen der Neuausrichtung unseres Benediktiner-Kollegiums Sarnen ist es ein wichtiges Anliegen, dass die verschiedenen Sammlungen langfristig fachgerecht konserviert und wissenschaftlich aufbereitet werden können. Damit kann das benediktinische Erbe auch für die Nachwelt erhalten werden.» 

Wissenschaftliche Aufarbeitung in der Kantonsarchäologie Luzern
Die Zeit hat ihre Spuren bei der Sammlung hinterlassen. Vielen Funden fehlt die Beschriftung. Fundzettel wurden offensichtlich vertauscht und leere Schachteln zeigen, dass Objekte verlegt wurden oder verloren gingen. Die Sammlung wird in den nächsten Wochen vom Benediktiner-Kollegium Sarnen in die Kantonsarchäologie Luzern gezügelt, wo sie wissenschaftlich inventarisiert wird. Christian Harb, Fachberater Archäologie für den Kanton Obwalden und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Kantonsarchäologie Luzern, zeigt sich zuversichtlich: «Aufgrund des schriftlichen Nachlasses von Scherer können vermutlich noch einige Funde ihrem Fundort zugewiesen werden». Von der Datierung diverser Funde aus dem Kanton Obwalden erhofft er sich neue Erkenntnisse zur Geschichte des Kantons. 

Die Objekte werden nach der Inventarisierung ihren Heimatkantonen zugeführt. Funde mit unbekannter Herkunft und Funde aus dem Kanton Obwalden werden im Funddepot Kägiswil eingelagert. Es ist noch offen, in welcher Weise sie der Bevölkerung präsentiert werden. 

Pater Emmanuel Scherer (1876–1929)
Pater Emmanuel Scherer war zweifellos eine schillernde Persönlichkeit aus der Frühzeit der Archäologie. Er wuchs im Entlebuch auf, besuchte das Gymnasium in Sarnen und trat anschliessend dem Benediktinerkloster Muri (Gries b, Bozen und Sarnen) bei. Nach der Priesterweihe studierte er Botanik, Mineralogie, Geologie und Zoologie an den Universitäten Innsbruck und Fribourg und doktorierte mit den «Studien über Gefässbündeltypen und Gefässformen». Anschliessend unterrichtete er am Gymnasium Sarnen Naturwissenschaften, später auch deutsche, englische und italienische Sprache. Neben seiner Lehrtätigkeit betrieb Scherer weiter Studien über Pflanzengeographie oder Blütenbiologie. Sein Interesse galt aber schon früh auch der Geschichte in seiner Heimat. So verfasste er von 1908 bis 1910 Übersichten über archäologische Funde aus den Urschweizer Kantonen, die 1916 in einem Gesamtüberblick in den Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft Zürich erschienen. Scherer organisierte unter anderem die archäologische Grabung des römischen Gutshofs in Alpnach-Uechtern (1914/15), dem bislang einzigen im Kanton Obwalden. Er war aktives Mitglied in der Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte, bei der er zeitweise als Vizepräsident fungierte. Sein Interesse an den Pfahlbauten führte ihn auch in den Kanton Zug sowie ins Wauwilermoos im Kanton Luzern, wo er die Grabungen des dortigen Pfahlbaupioniers Johannes Meyer besuchte. Nach dessen frühen Tod fasste Scherer die umfangreiche Grabungsdokumentationen in einem für die damalige Zeit fundierten wissenschaftlichen Artikel zusammen und machte sie so der Nachwelt zugänglich.

Kontakt/Rückfragen: 

Christian Harb, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Kantonsarchäologie Luzern / Fachberatung Obwalden, 041 228 35 25, 079 235 36 87, christian.harb@lu.ch
Mike Bacher, Rechtshistoriker, 076 517 21 53, mike.bacher@benediktiner-kolle-gium.ch

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